Ich kann es nicht, Jesse. Ich komme damit nicht zu recht. Ich kann es nicht verarbeiten, noch realisieren, was da wie geschehen ist. Nicht verstehen oder nachvollziehen, wie es so weit hatte kommen können. Ich hätte dich beschützen sollen und müßen! Wieso tat ich es dann nicht? Wieso … ich verstehe es nicht. Ich verstehe es einfach nicht. Diese Wohnung war für euch sicher gemacht. Hier war nichts mehr, was euch hätte gefährlich werden können … Bis ich einen Fehler machte und der Bitte meiner Haushaltshilfe nachkam. All die Jahre wurde ein anderes Spülmittel verwendet.
Ich klage nicht nur mich, sondern auch Procter & Gamble und all die verfluchten Firmen an, die ihre Reinigungsmittel nicht sicherer machen – nicht nur für den Nachwuchs dieser Rasse voller Monster und Bestien, sondern auch für alle Fellnase die zu dem Haushalt gehören! Ich hätte im Leben nicht damit gerechnet, das sie das Zeug trinkt. Ja, sicher weiß ich es nicht, weil ich sie nur einmal davon abgehalten habe, ihre Nase in ihre Schale zu tauchen, aber ich kann mir einiges zusammen reimen. Ich kann mir das weder verzeihen, noch vergeben! Wieso nur glaubte ich, sie würde da nicht dran gehen? Weil sie es all die Jahre nicht getan hat, sogar die Nase gerümpft hat? Was ist bei dem verfluchten Spülmittel anders gewesen? Später fiel es mir wieder ein, was meine ehemalige Haushaltshilfe dazu gesagt hatte: „Es riecht so lecker.“ War es das, was dich nicht davon abgehalten, mutmaßlich da draus zu trinken? Was es auch war, ich bin mit schuld! Das war ein Fehler, den ich nie wieder machen werde!
Ich bin wütend. Wütend auf mich selbst, wütend auf Procter & Gamble und verzweifelt. Ich erlebe immer wieder diesen kurzen und doch langen Augenblicke, in dem dein Körper kämpfte und schließlich mit deinem erschlafften Kopf auf meinem Arm endete. Der kurze Augenblick in dem ich dem Irrglauben erlag, du hättest den Kampf doch gewonnen. Der Moment der Erkenntnis, des Begreifens …
Ich erinnere mich, wie Mik und du nach hinten rannten. Wie du kurz stehen geblieben warst, mich ansahst und ich Teiron in meinem Kopf hörte und du dann deinem Sohn folgtest. Erinnere mich an Teirons qualvollen Tod, er versuchte noch einmal nahe bei mir zu sein, bevor sein Körper an den schweren inneren Verletzungen verstarb und ich seine Hülle noch sinnlos zu der ehemaligen Ärztin trug und wieder zurück ging, mit Tränen die nicht aufhörten.
Ich erinnere mich an Miks ebenso qualvollen Tod und meinen vergeblichen Kampf um sein Leben. Der rettende Katheter kam 24 Stunden zu spät. Erinnere mich, wie ich schützend meine Hand über seinen sterbenden Körper hielt, ohne zu sehen, was die Ärztin vor hatte. Erinnere mich an mein Versagen, nicht auf meinen Instinkt gehört und auf einer Blutuntersuchung bestanden zu haben, bevor Tarzan das Mittel für sein Herz erhielt, das ihm den Tod brachte.
Ich erinnere mich kaum an die Jahre danach, an meinem Tanz am Rande des Wahnsinns. Ich erinnere mich jedoch, das du nicht bereit warst mich aufzugeben. Du hast deine Weise um mich gekämpft, wie ich da drum von dem Rande des Wahnsinns loszukommen. Es hat viele Jahre, und sehr viel Kraft gebraucht. Als ich es endlich geschafft hatte, kam der nächste Schlag, der dich dazu brachte, mich zum ersten Mal seit dem du bei mir bist, im Schlaf aufzufinden und mich fragtest wann ich zurück kehre. Ich erinnere mich an deine Unsicherheit, deine Sorge und Furcht. Du hattest Furcht mich zu verlieren! Bis ich dich nach 2 Wochen und 3 Tagen wiedersah, hatte ich diese von mir notierte Begegnung verdrängt. Erst als ich dich wieder sah, wurde mir bewußt, wie sehr du um mich gefürchtet hast, und da drum mich zu verlieren. Ich erinnere mich, wie fürchterlich dein Körper aussah, wie ungepflegt und rauh dein Fell war. Wie sehr … Ich begriff etwas, daß ich nicht in Worte kleiden werden und kann. Ich entschloß mich, dich nie wieder alleine zu lassen, nicht solange jedenfalls.
Ich erinnere mich, daß du nach meiner Rückkehr aus dem KH zum ersten Mal etwas tatest, was Du vorher nicht getan hattest: ich hatte die Beine angewinkelt, damit es nicht so weh tat, du stiegst von der Rückenlehne des Sofas auf die Knie und legtest dich schließlich auf sie. Wenigstens war ich da mal geistesgegenwärtig und machte sofort Fotos davon. Das war etwas, daß ich unbedingt in Erinnerung behalten wollte. Danach, suchtest du mehr und mehr meine Nähe. Du legtest dich mittig auf meinen Körper, nahmst eine Hand in Beschlag; welche war dir egal, Hauptsache es gab eine körperliche Nähe; und schliefst dann gerne auf meinem Körper, mit einer Hand als Kopfkissen oder einfach zum Anlehnen. Das waren Momente, von denen ich weiß, daß ich Dankbarkeit verspürte. Mußte erst so ein „Unfall“ wie ein Bandscheibenvorfall geschehen, damit wir so nahe sein konnten, wie es mit Teiron und Mik war?
Ich erinnere mich, wie behutsam du immer mit einer Kralle sehr, sehr vorsichtig meine Nase berührtest um mich zu wecken. Du warst ohnehin so unglaublich vorsichtig und da drauf bedacht, meinen Körper nicht zu verletzen, obwohl ich dir signalisierte, daß es in Ordnung ist. Ich erinnere mich, daß Teiron nach Herzenslust und mit aller Kraft mit seinen Hinterläufen gegen die Hand trat, wenn ich sie ihm mit dem Handschuh hinhielt. Er wußte sofort: Freibrief! Und er nutzte ihn.
Ich erinnere mich, wie besorgt du warst und immer auf meinen Körper aufgepaßt hast, wenn er unter der Dusche war. Auch, wenn du das die erste Zeit mit dem Futterball tarntest. Ich erinnere mich, wie sehr du dich gefreut hast, als ich dir deinen Stuhl hoch gebracht habe. Diese unbändige Freude und das sofortige Verstehen, daß das deiner ist. Das dieser Stuhl ganz alleine dir gehört. Ich habe sehe mir die Fotos davon an, und muß leise lächeln, mit dem feinen Schmerz in meinem Herzen.
Ich erinnere mich, an unseren Disput, den wir auf Katzenart klärten. Wie sich dann bei dir sichtbar etwas änderte. Du hörtest auf, grundlos nach mir zu schlagen. Ja, du tatest es noch, aber dann ohne meinen Körper dabei zu verletzen. Es ging dir nur da drum mir zu zeigen, daß es gut war.
Ich erinnere mich, als der Spiegel in unseren Haushalt kam. Erinnere mich, wie du dich davor gesetzt hast und alles genau untersuchtest, miteinander abgeglichen hast. Die Momente, wenn ich aus meinem Raum kam, und du vor dem Spiegel gesessen hast und dich über ihn mit mir unterhalten hast. Sich an dich anschleichen war mit dem Ding einfach nicht mehr möglich. Auch an dem Spiegel hattest du sichtbar deine Freude. Und doch trübt eine andere Erinnerung mein Herz. Ich erinnere mich, wie ich dich auf mein Bett, der Schlafsack war schon ausgelegt. Du hattest dich hingelegt und lang gemacht. Ich sah, wie du eine tiefe Nase von meinem Geruch aufnahmst, sah die Traurigkeit, die uns beide seit dem Freitag begleitet hat. Ich erinnere mich, wie wir zurück kamen, du in dein Zelt verschwunden warst, ich in die Küche ging, in der Tür stand und du aus dem Zelt wieder hervor kamst: „Hey! Ich bin noch hier!“ Ich weiß, es ist trotzdem so schwer. … Du wolltest wieder runter unter das Bett, ich hielt dich davon ab, und legte dich behutsam auf meinem Schoß, wo ich ein Handtuch ausgebreitet hatte, die Spritze mit der pürierten Nahrung bereit. Erinnere mich, wie ich in den vergangenen Tagen unermüdlich einen Weg zu finden suchte, wie ich dich doch retten hätte können, auch wenn ich deine Entscheidung bei deiner Ärztin akzeptiert habe. Ich mußte es, denn ich habe dir nie meinen Willen aufgezwungen. Du bist von dir aus zu einem wunderbaren Wesen geworden. Ich habe dir nie wirklich etwas beigebracht. Das war bei euch allen so. Bis auf bei Teiron, der gerne von dem Teller stibitzte, wenn man mal gerade nicht da war. Du und eure Söhne hingegen, rührtet das Essen auf dem Tisch nicht an. Ihr kamt auch nie in die Küche, wenn ich dort kochte. Ihr verstandet sofort so vieles, von dem ich euch nie auch nur im Ansatz etwas beigebracht hatte. Außer auf eines: auf Pfiff zu hören und zu reagieren. Nur blöd, daß wenn ich nach dem einen Pfiff, auch alle anderen kamen.
Diese letzten Augenblicke. Deine Weigerung, dein sanftes wegschieben meiner Hand und schließlich in aller Deutlichkeit, bei einem weiteren Versuch dir das Essen zu verabreichen: „Nein!“ und ein energischeres wegschieben meiner Hand und der da drauf folgende Kampf deines Körpers. Meine Ohnmacht, Verzweiflung und Hilflosigkeit. Was hätte ich tun können? Wie dir helfen? Die schwerste aller Entscheidungen war es, dich gehen zu lassen. Nicht weiter zu versuchen, deinen Körper zu reanimieren, obwohl meine linke Hand immer noch den Brustkorb deines Körper massierte, die zuerst spürte, daß es vorbei, der vergebliche Kampf verloren war, weil das Herz nicht mehr zu spüren war. Es war …
17 Jahre warst du an meiner Seite. 17 Jahre an die ich mich kaum erinnere. 17 Jahre und eine Menge Fotos. Deine Stimme zu hören, die SaA aufgenommen hat, wenn mein Körper schlief … ich ertrage es nicht! Es zerreißt mein Herz und treibt die feine Klinge nur noch tiefer. Immerhin verstehe ich jetzt diese ganzen Bilder und Tattoos mit den blutenden Herzen, die jetzt Sinn für mich machen.
Duschen kann ich nicht mehr, weil ich … … es fühlt sich falsch und unbeschreiblich an. Also bleibt mir nur Improvisieren. Hygiene fällt jedenfalls nicht flach, wie in den letzten 72 Stunden vor … dem …
Ich erinnere mich, daß Du eine Woche vor deinem körperlichen Tod doch noch zu einer Diebin wurdest, und die Packung mit deinen Lieblingssnacks klautest, sie aufgerissen und bis auf einen alle verputzt hast während mein Körper schlief, was mich sehr erstaunt hatte, denn das hattest du bis zu diesem Tag nie getan. Wir hatten immer das Ritual, daß du kurz vor dem Schlafen legen meines Körpers deine Snacks erhieltest. Hattest du alle erhalten, hüpftest du von dem Bett und gingst rüber zu einem deiner Schlafplätze, bis mein Körper dann dabei war aufzustehen. Du wußtest immer, wann es soweit war, und beschlagnahmtest meinen Körper oder kamst mitten im Schlaf an um mit meinem Körper zu schlafen. Ich hätte nie gedacht, das du irgendwann so eine Nähe zu mir aufbauen würdest, doch vielleicht lag es auch an mir. Nicht nur vielleicht. Es lag an mir. Nach der 3fach Tragödie war ich einfach nicht mehr in der Lage. Ich konnte nicht. Ich machte mir Gedanken da drum, was geschehen würde, wenn ich dich zuließe und du dann auch innerhalb der Zeit gehen würdest? Du hattet mit deinem Vorwurf den du mir mit Heart over mind deutlich vorgeworfen hast recht. Aber, ich habe mich geändert. Wenn auch erst, nach dem „Unfall“ und den langen KH Aufenthalt. Ich dachte immer, du würdest mich meiden, doch es war umgekehrt der Fall: ich mied dich um mich vor noch mehr Wahnsinn zu schützen! 3 Verluste innerhalb von 13 Monaten warn mehr, als ich ertragen konnte. Dir selber schien es nicht auszumachen, das unsere drei Herren nicht mehr da waren.
Die Packung habe ich behalten und mit auf den Altar vor dein Bild gelegt. Die letzten Spuren, die davon zeugen, das du hier gewesen bist – ich habe sie alle bewahrt und werde es auch weiterhin tun.
Ich erinnere mich da dran, daß ich mich um andere 3 Herren im selben Haus kümmern mußte und die Tür zu unserer Wohnung immer ein wenig für dich offen ließ. Ich erinnere mich, daß ich eines Tages von der Versorgung wieder zurück die Treppen hoch kam und du dort vor der Wohnungstür auf der Fußmatte gesessen und auf mich gewartet hast. Nein, du wurdest zu einer Wachkatze, die da drauf achtete, daß außer mir niemand einfach in die Wohnung kam. Du warst es auch, die sich vor die Wohnungstür setzte und mich maunzend da dran erinnertest, daß es da noch etwas gab. Daß ich noch 3 weitere Fellnasen zu versorgen hatte.
Das du dort gesessen hast, hat mich verblüfft und ja, es hat mich erstaunt. Was ein absoluter Seltenheitsfall ist. Tiere schaffen es, diese Monster und Bestien jedoch nicht. Ja, ich erinnere mich an einiges, wenn auch nicht an alles. Doch all diese Erinnerungen werden von dem Schatten der Art deines Sterbens getrübt. DAß war es nicht, was ich für dich wollte! Ich wollte, das du, dein Körper friedlich einschläft, aber nicht so! Nicht auf diese Art! Nein, nicht so! Nicht so!
Ich versuche es Jesse, aber ich kann nicht! Ich komme damit nicht zurecht, auch wenn es – der Aussage deiner Ärztin nach – so sein sollte, ich kann das nicht verarbeiten.
Ich glaube, daß ich jetzt auch weiß, wieso ich Tarzan für seinen Vater und deinen Gefährten mit auf den Weg gab, daß ich dich nicht lange überleben werde. Nicht nur, daß es für mich hier nichts und niemanden mehr gibt, sondern auch, daß der Schmerz über die Art deines körperlichen Todes zu viel für mich ist. Da nützt mir auch mein Wissen nichts, daß der körperliche Tod nicht das Ende ist. Das kollidiert hier ganz fürchterlich mit dem Verstand und dem Gehirn, die beide das alles nicht verarbeiten können. Erschwerend kommt noch hinzu: ich bin alleine. Ich kann nicht sprechen. Ich habe keinen der mich auffängt. Aber, ich will auch keinen hier haben. Ich brauche keinen, der mir dabei zusieht, wie mir die Tränen über das Gesicht laufen, wie ich versuche zu schreien und es doch nicht kann. Wie ich versuche meinem Schmerz Geltung zu verschaffen, aber … nicht kann, weil ich befürchten muß , das wieder die Cops auf der Matte stehen. Der Schaden der angerichtet wurde, ist irreparabel!
Manchmal ramme ich mir in Gedanken den Kopf vor die Wand, hilft zwar nicht, aber so geht geht es mir. Nur, wer macht dann die Sauerei dann weg oder wie erkläre ich meinem Vermieter das Loch in der Wand, das mein Kopf geschaffen hat?
Meine Neurologin fragte mich kürzlich, was mir helfen würde oder etwas in der Art. Genau genommen weiß ich es nicht. Doch eigentlich müßte ich hier für eine Weile raus, denn egal wie ich mich drehe und wende, immer wieder denke ich an dich. Ich weiß genau, was du wie wann wo getan hättest. Ich weiß, daß du kurz vor der Heia aus deinem Raum gekommen wärst, dich direkt vor die Fußleiste gesetzt und genau dann mit mir geredet hättest, wenn ich die verfluchte Zahnbürste im Mund hatte und unfähig war zu antworten, oder du wärst gleich durchmarschiert mit schweren, festen Schritten und hättest es dir schon einmal auf dem Bett gemütlich gemacht. Nur um dann halbherzig zu protestieren, wenn ich dazu kam, was dann überging in deine bestimmte Art dich vor mir zusetzen und auf die Snacks und Streicheleinheiten zu warten. Ihr alle ward und seid etwas besonderes. Jeder von euch auf seine Art. Ihr ward und seid meine Familie! Die einzige Familie, die ich hatte und für mich über alles stand! Ihr habt mich gewählt, so wie ich euch wählte. Ich bin die letzte! Ich bin die, die zurück gelassen wurde! Doch besser so, als anders. Nein, du solltest mich auf keinen Fall überleben. Ich habe in den letzten Jahren meinen Körper immer wieder gezwungen, mir zu gehorchen und weiterzuleben, obwohl er schon so oft hatte aufgeben wollen. Nicht vor Jesse! Ich wollte nicht, das du noch einmal durch so eine Hölle wie in den 2 Wochen und 3 Tagen gehen mußtest. Du wärst da dran zerbrochen. Ja, anders sieht es nicht besser aus! Dein Tod in meinem Armen hat mich gebrochen! Das war und ist mehr, als ich ertrage und verkraften kann. Hätte ich das Geld, ich würde – auch wenn es eine Flucht ist – für 3 Wochen nach Norderney auswandern. Würde, hätte, könnte, wollte.
Da ist so vieles, was mir eingefallen ist, was ich hätte anders oder überhaupt noch hätte machen können. Wie oft wärst du noch in meiner Nähe gewesen, hätte ich mich mehr auf dem Bett aufgehalten? Du hättest bei mir gelegen, protestiert, wenn ich Tee/Kaffee geholt oder mal wohin gemußt hätte und wärst mir dann gefolgt, hin und zurück – nur um sicher zu gehen.
Ich hätte die Schlafseite ändern müssen, so wie es jetzt der Fall ist, weil ich nicht in der Lage bin, das Bettdeckenzelt abzubauen. Ich schlafe im Schlafsack und habe jetzt eine Art Tagesdecke auf meiner Seite. Du hättest definitiv dort geschlafen. Deine Stelle, wo du immer gelegen und geschlafen hast bleibt – bis auf während des Schlafes – auch jetzt noch frei. Ich kann nicht. Ich kann es einfach nicht. So viel, da ist noch so vieles, was ich dir habe geben wollen. So vieles … was ich für dich hatte machen wollen. Die für dich angelegten Listen, habe ich auch immer noch nicht fertig gebracht zu löschen, außer bei zooplus, die diese grausame … mit erleben durften/mußten. Daß ich einen gewaltigen Fehler gemacht habe, als ich dich um deinen Lieblingsplatz hinter mir gebracht hatte, fiel mir erst zu spät ein. Ich hätte dir das verfluchte Medikament an einem anderen Ort geben müssen, nicht hinter mir. Dumm. Ich war so unendlich dumm! So … 3 Jahre! 3 Jahre um die wir beide betrogen worden sind. 3 Jahre, die du noch hättest an meiner Seite und ich an deiner hätte sein sollen. 3 Jahre!
Seit deinem Tod höre ich kaum etwas anderes als, das Lied, das du für deinen Tod zum sterben gewählt hast. Ich versuche zu verstehen, was du mir damit sagen wolltest, doch außer beschützen, verstehe ich nicht eines von „Quand j'ai peur de tout“. Irgendwie will sich auch keiner finden lassen, der mir den Text übersetzt, stattdessen bin ich jetzt noch über ein anders gestolpert, daß ich so verdammt gut nachvollziehen kann: es ist aus dem Anime Lost Song „Song of Destruction“. Diese Szene in der Folge 7 „Lied der Sterblichkeit“ und was da drauf folgt, kann ich nur all zu gut nachvollziehen. Ich; wenn ich es beschreiben oder erklären müßte; würde schreiben, es paßt wie Faust auf Auge. Japanisch verstehe ich jedoch ein wenig besser, als französisch, wenn auch auf eine Art, die ich selber nicht erklären oder gar verstehen kann. Doch jedes Lied, daß ich im japanischen wählte, ohne die deutsche Übersetzung zu haben, traf im Nachhinein immer, egal in welchem Kontext. Auf irgendeine Weise verstehe ich, ohne zu verstehen. Ich sah nur die Szene, las noch nicht einmal den Untertitel und verstand sofort. Es erklärt im Moment – glaube ich – sehr gut, wie es mir geht etc. Mehr als diese Schlüsselszene bedarf es nicht.
Solange niemand persönlich vor mir steht und mir in mein Gesicht sagt, daß ich ihm/ihr/es wichtig bin und es auch so wirklich so meint, nicht nur in diesem Moment, werde ich noch nicht einmal im Ansatz in Erwägung ziehen, mein Versprechen auszusetzen. Ich will nur noch eines: nach Hause! Zu meiner Familie! Ich werde unendlich dankbar und erleichtert sein, wenn es endlich vorbei ist und ich nach Hause kann. Denn das ist alles was ich will: nach Hause!
Suizid, dem Körper absichtlich Schaden zufügen, ist absolut abwegig und kommt nicht in Frage! Denn, auch wenn es mir mittlerweile mehr als zuwider ist und ich es kaum erwarten kann, nach Hause zu meiner Familie zu gehen: ich achte das Leben, auch das dieses Körpers! Was auch heißt, daß ich auf ihn achte und nicht fahrlässig handeln werde! Bis der Tag gekommen ist, werde ich diesen Schmerz und diese Schuld ertragen, diese Klinge, die tief in mein Herz schneidet, mit den Vorwürfen die ich mir (zu recht?) mache leben und irgend wie versuchen damit umzugehen, auch wenn es zu viel für mich ist. Diese letzten 72 Stunden … die Verzweiflung, die Ohnmacht, die Hilflosigkeit… all das wird mich bis zu dem Tag begleiten, an dem ich endlich nach Hause kann und zu meiner Familie zurückkehre. Meiner einzig wahren Familie, die mich genommen hat, wie ich bin. Mir ihre Liebe ohne Vorbehalte gab. Wer hat eigentlich wen adoptiert? Stellt sich diese Frage wirklich? Nein, denn dann hätte ich keine so wundervolle Familie (gehabt). Doch das Ableben von allen … hat eine Art Trauma hinterlassen. Nur, wer schon einmal erleben mußte, wie jemand in den eigenen Armen starb und nichts tun konnte, wird es vielleicht verstehen. Verstehen, welch einen Unterschied es macht, wie jemandes Körper in den eigenen Armen stirbt oder friedlich einschläft. Ich weiß es nur zu gut. Auch, wenn es sehr lange her ist, erinnere ich mich, wie es das erste Mal war, als meine Schwester in meinen Armen starb und ich unfähig war sie zu heilen. Ich erinnere mich, was ihr Sterben in mir auslöste und zu welchem Ergebnis das letztendlich führte. So ähnlich ergeht es mir mit Jesse. Und wieder war ich nicht in der Lage etwas zu tun. War ich nicht in der Lage, die zu beschützen, die mir so wichtig war. Ich konnte nichts mehr tun, nur da sitzen, versuchen dich zu unterstützen, zu zeigen ich bin da … doch was hat all das am Ende gebracht? Ich konnte nichts tun. Dir in keiner Weise helfen. Nur ohnmächtig, hilflos und voller Verzweiflung zusehen, wie der Körper meiner kleinen Schwester den Kampf verlor und in meinen Armen verstarb. Das ist etwas, was man nicht so einfach vergißt, mir sehr schwer zusetzt. Ich kann es nicht, ich kann damit einfach nicht umgehen. Egal, wie sehr ich es auch versuche, es geht einfach nicht. Jesse … vergib mir! Vergib mir. … Es gibt nur einen Unterschied zu damals: damals nach dem Tod meiner Schwester, waren die Drachen an meiner Seite und ich hatte eine „Lobby“. Leute die mich stützten, da waren. Heute – habe ich niemanden. Keinen Halt, keine Lobby, keine Drachen.
Noch immer stelle ich dir Futter hin und lege dir kurz vor dem Schlafen deine Snacks vor dem Bettdeckenzelt, deinen Fotos, wechsle alle 4 Tage das Wasser, nur das Katzen WC mache ich nicht mehr. Ich rühre das in meinem Raum auch nicht an! Dort sind die letzten Spuren, die du kurz vor deinem körperlichen Ableben hinterlassen hast, nach dem ich dir meine Stärke für deine Schwäche angeboten habe, damit du das verläßt. Du sahst mich nicht, sondern irgend etwas auf der anderen Seite der Abdeckung. Nachdem ich dir meine Stärke bot, fandest du wieder die Kraft um das WC zu verlassen, damit ich dich auf das Bett heben konnte, bevor wieder da drunter verschwandest.
Ich will schreien, kann es aber nicht. Alles was mich verläßt ist ein stummer mentaler Schrei. Ja, die Folge 7 trifft es verdammt gut. Besser geht es glaube ich nicht. Ich würde gerne raus gehen, weinen und schreien, meinen Schmerz einfach raus lassen, aber mitten in der City … werden die Cops wohl nicht lange auf sich warten lassen. Wie sollten sie auch verstehen? Wie sollen sie verstehen, was es bedeutet, wenn man eng mit einem anderen Wesen (egal welcher Art) verbunden ist und wenn dann geschieht, was geschehen ist? Ich kann mich nur wiederholen. Ändern tut es nichts. Es ist geschehen und ich kann damit einfach nicht umgehen. Einfach raus, irgendwo hin wo kaum einer ist, mit jemanden der versteht und nachvollziehen kann, wie es mir geht … der da ist. Da dran zerbrochen bin ich ohnehin schon … Fremde kann ich beschützen, doch die, die mir wichtig und nahe sind – kann ich scheinbar nicht. Eine Beschützerin des Lebens, die das Leben derer, die ihr nahe sind nicht beschützen kann …
So lange, wie ich um dich trauere, solange wird ein Grablicht in deinem Lieblingsfenster für dich brennen. Du hast diesen Respekt und diese Achtung mehr als verdient! Jeder soll wissen, daß hier jemand Besonderes/Wichtiges gegangen ist. Jemand, der es wert ist betrauert zu werden. Je stärker das Band zueinander ist, umso stärker ist der Schmerz wenn einer geht.
„Wer eine besondere Gabe hat, die andere nicht haben, der empfindet auch einen besonderen Schmerz, den anderen nicht empfinden.“ Kuzanagi-san X/1999, Episode 10: Inuki